Was genau ist ein strukturierter Beherbergungsbetrieb?

Barbara Jud, Juristin, EpaceSuisse
Montag, 12.12.2022
Zehn Jahre sind seit der Annahme der Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen» vergangen. Viele anfänglich bestehende Unklarheiten wurden in den letzten Jahren geklärt. Trotzdem bestehen in einigen Punkten noch Unsicherheiten, so beispielsweise beim Begriff «strukturierte Beherbergungsbetriebe».
Sils GR hat einen Planungsstopp erlassen, um Lösungen für eine bessere Regulierung des Zweitwohnungsmarkts zu finden. (Foto: Markus Hägi)

Am 11. März 2012 wurde die Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen» an- und Artikel 75b in die Bundesverfassung (BV) aufgenommen. Der Bundesrat erliess in der Folge – direkt auf die BV gestützt – die Zweitwohnungsverordnung (aZWV) als Übergangsverordnung. Artikel 4 aZWV erlaubte unter anderem den Bau von neuen Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent, falls diese Ferienwohnungen im Rahmen strukturierter Beherbergungsformen bewirtschaftet werden.

Im Zweitwohnungsgesetz (ZWG) sowie in der Zweitwohnungsverordnung (ZWV) wurde dann die Bezeichnung strukturierte Beherbergungsbetriebe gewählt (Art. 7 Abs. 2 Bst. b und Abs. 5 Bst. a ZWG, Art. 8 ZWG und Art. 4 ZWV). In den Materialien ist die Formulierung inhaltlich in ähnlichen Worten umschrieben wie in denjenigen der Übergangsverordnung.

Folgende Kriterien muss ein strukturierter Beherbergungsbetrieb erfüllen:

  • Hinreichendes Angebot an typischen hotelmässigen Diensten und Infrastrukturen: Dazu gehören Dienstleistungen wie Rezeption und Zimmerdienst als auch Gemeinschaftseinrichtungen wie Hallenbad, Sportanlagen, Restaurants und Spielräume. Entscheidend ist, dass ein solches Angebot besteht und von den Gästen in Anspruch genommen werden kann. Denkbar ist auch, dass Kooperationspartnern aus der Region einzelne Dienstleistungen und Infrastrukturen erbringen.
  • Hotelähnliches Betriebskonzept für die professionelle und kurzzeitige Beherbergung von Gästen: Beispiele sind hotelähnliche Residenzen wie Hotelresorts (Hotels mit Zimmern und bewirtschafteten Wohnungen), Ferienresorts und Feriendörfer (z. B. REKA, Landal).
  • Management: Die Bewirtschaftung muss im Rahmen eines einheitlichen Betriebs sichergestellt sein. Der Betrieb muss eine minimale Betriebsgrösse aufweisen und zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass er eine bauliche Einheit bildet.
  • Art der Vermarktung: Der kommerzielle Betrieb und die Vermarktung sind professionell organisiert. Er muss eine gewinnbringende Vermarktung zulassen, insbesondere auch während der Hauptsaisonzeiten und für eine längerfristige Wettbewerbsfähigkeit im Markt konzipiert sein.

Trotz der Charakterisierung des Begriffs strukturierte Beherbergungsbetriebe in den Materialien bestehen Unsicherheiten im Vollzug der Zweitwohnungsgesetzgebung. Verschiedene Gerichtsurteile (siehe Kasten) befassen sich mit den Unklarheiten im Umgang mit strukturierten Beherbergungsbetrieben, helfen aber auch, den Begriff zu schärfen:

  • Es liegt kein strukturierter Beherbergungsbetrieb vor, wenn mit einem Hotel lediglich ein Bewirtschaftungsvertrag in Bezug auf typische Ferienhäuser abgeschlossen wird, die sich in grosser räumlicher Entfernung (3,5 km) vom Hotel befinden. Ebenso wenig genügt es, einen Vertrag mit einer kommerziellen Vertriebsorganisation abzuschliessen, die sich lediglich um die Vermietung und die Reinigung der Ferienwohnung kümmert. Es müssen objektive und kontrollierbare Elemente vorliegen, «die sicherstellen, dass die Wohnungen langfristig touristisch bewirtschaftet werden, sei es, weil sie als Einliegerwohnung konzipiert sind, sei es, weil sie räumlich und funktionell Teil eines hotelartig strukturierten Beherbergungsbetriebs sind».
  • Es obliegt der Bauherrschaft aufzuzeigen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen strukturierten Beherbergungsbetrieb vorliegen. Blosse Absichtserklärungen der Bauherrschaft oder der Verweis auf einen künftig – vor Nutzungsbeginn – vorzulegenden Bewirtschaftungs­vertrag genügen nicht.
  • Es muss sichergestellt sein, dass die Wohnungen zusammen mit dem ebenfalls geplanten Hotelkomplex nach einem hotelmässigen Konzept im Rahmen eines einheitlichen Betriebs bewirtschaftet werden. Die erforderliche Hotelbetriebsgesellschaft muss bei der Bewilligung bereits existieren.
  • Die blosse Möglichkeit der Wohnungseigentümer, von den Dienstleistungen des angrenzenden Hotelkomplexes Gebrauch zu machen, genügt nicht.
  • Werden die durch Kooperationspartner zu erbringenden hotelmässigen Leistungen nicht konkret nachgewiesen und sieht das Bewirtschaftungskonzept lediglich vor, in jeder Wohnung einen Ordner mit den Servicedienstleistungen und entsprechenden Direktnummern aufzulegen, erscheint die längerfristige touristische Bewirtschaftung der Wohnungen im Rahmen eines strukturierten Beherbergungsbetriebs nicht sichergestellt.
  • Es liegt keine hotelmässige Bewirtschaftung vor, wenn die Hoteldienstleistungen nicht im Mietpreis enthalten sind, eine tägliche Brotlieferung als Frühstück angeboten wird, kaum gemeinschaftliche Infrastrukturen bestehen und die Betreibergesellschaft mehrheitlich im Bau und Verkauf von Chalets aktiv ist.
  • Die dauerhafte, ausschliesslich kurzzeitige Nutzung von Wohnungen wird nicht als gegeben erachtet, wenn vorgesehen ist, dass die Stockwerkeigentümer diese ohne zeitliche Beschränkung gegen Abgabe von «Feriengutscheinen» nutzen können.
  • Kann ohne Zustimmung des Betreibers das Wohnungsinnere umgestaltet werden, genügt dies den Anforderungen an Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b ZWG nicht.

Online-Befragungen von Gemeinden und Kantonen anlässlich der Wirkungsanalyse Zweitwohnungsgesetz zeigten ebenfalls, dass in der Praxis weiterer Klärungsbedarf besteht. Deswegen kommt der Bericht des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zum Schluss, dass die Anforderungen an die strukturierten Beherbergungsbetriebe einer Präzisierung bedürfen. Vorgesehen ist, dass das ARE und das SECO – in Zusammenarbeit mit weiteren betroffenen Akteuren wie der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) und dem Bundesamt für Justiz (BJ) – eine Auslegeordnung macht, den Begriff der strukturierten Beherbergungsbetriebe schärft und die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, in einem Merkblatt publiziert.

Gerichtsurteile zu den strukturierten Beherbergungsbetrieben

BGE 145 II 345 (Vals GR) in Urteilssammlung (US) EspaceSuisse Nr. 5722 (im Abonnement – bitte einloggen)

Urteil BGer 1C_422/2018 vom 4.11.2019, E. 5.3.1 ff. (Mollens VD) in US EspaceSuisse Nr. 5818

Kantonsgericht VS Urteil A1 16 10 vom 6.10.2016 (Kanton VS) in US EspaceSuisse Nr. 6379

Wirkungsanalyse Zweitwohnungsgesetz

Die Wirkungsanalyse Zweitwohnungsgesetz und die entsprechenden Berichte finden Sie auf der Website des ARE.

Gemeinden unter Druck

Zweitwohnungsgemeinden stehen unter Druck, den Einheimischen und saisonalen Fachkräften der örtlichen Betriebe bezahlbaren Wohnraum zu bieten. Welche Instrumente die Gemeinden nutzen können, um den Zweitwohnungsmarkt besser zu steuern, können Sie im Inforaum 3/2022 nachlesen (siehe pdf unten).

RUSSI NORBERT, Kein Wohnraum mehr für Einheimische?, in: EspaceSuisse, Inforaum 3/2022, S. 24 ff.

Kein Wohnraum mehr für Einheimische?

Raumplanungsverordnung

Stellungnahme von EspaceSuisse