Die Umweltkommissionen des National- und Ständerats (UREK-N und UREK-S) planten im vergangenen Jahr starke Lockerungen beim Landschafts- und Ortsbildschutz. Sie hiessen einen Entwurf für ein revidiertes Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) gut, der auf eine Initiative des Zuger Ständerats Joachim Eder (FDP) zurückgeht (12.402). Der Entwurf verlangte, dass Eingriffe in die wertvollsten Landschaften (gemäss BLN-Inventar) und Ortsbilder (ISOS-Inventar) nicht mehr nur bei Bauvorhaben von nationaler Bedeutung möglich sein sollen, sondern auch ein kantonales Interesse genügen soll (Art. 6 Abs.2 Entwurf NHG). Ausserdem wurde eine neue Bestimmung eingefügt (Art. 7 Abs. 3), wonach Gutachten der eidgenössischen Kommissionen bei der Abwägung aller Interessen durch die Entscheidbehörde nur eine von mehreren Grundlagen darstellen.
Umstrittener Artikel 6, Absatz 2 entfällt
In der Vernehmlassung 2018 erzeugte insbesondere der geplante Artikel 6 Absatz 2 NHG für heftige Reaktionen. Die Dachverbände der Wirtschaft begrüssten den Entwurf. Umwelt- und Heimatschutz-Verbände wie WWF, Pro Natura, Schweizer Heimatschutz und die Stiftung Landschaftsschutz reagierten alarmiert. Auch die Hälfte der Kantone lehnte die Schwächung des NHG in Art. 6 Abs. 2 ab. Die Regierungen der Kantone SG, BE, BS, AG und FR teilten mit, sie befürchteten Verluste von Natur- und Kulturerbe. Als Befürworter des Schutzabbaus zeigten sich die Kantone TG, GR, SH, NE und ZG. Sie begrüssten die Stärkung der Entscheidungsmacht der Kantone.
Aufgrund dieser Vernehmlassungsergebnisse zog die ständerätliche Kommission UREK-S die Konsequenzen: Sie verzichtete auf die geplante Revision von Artikel 6 Absatz 2 des NHG. Allein Artikel 7 Absatz 3 sei aufrechtzuerhalten. Der Bundesrat hiess diesen Revisionsvorschlag nun am 30. Januar 2019 gut. Er empfiehlt dem Parlament den Revisionsentwurf zur Annahme.
Die Haltung von EspaceSuisse: Unnötige Revision des NHG
EspaceSuisse findet die Gesetzesrevision unnötig, weil die in Artikel 7 NHG erwähnten Fachgutachten bereits nach heutigem Recht nicht allein massgebend für die Interessenabwägung sind. Vgl. dazu unsere Stellungnahme zum Vernehmlassungsentwurf von 2018 (News vom 10.07.2018).
Das zeigte sich beispielsweise Ende 2018, als der Bundesrat die Richtplananpassung des Kantons Zürich zum Hochschulgebiet Zürich Zentrum genehmigte. Der Kanton beabsichtigt, den gemeinsamen «Forschungs- und Gesundheitscluster» von ETH, Universitätsspital und Universität baulich weiterzuentwickeln. Die Stadt Zürich ist als Ortsbild von nationaler Bedeutung im ISOS-Inventar verzeichnet. Ein Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege kam zum Schluss, dass die vorgesehene bauliche Weiterentwicklung des Hochschulgebiets dieses Ortsbild stark beeinträchtigen würde. Der Kanton Zürich legte jedoch in einer umfassenden Interessenabwägung dar, dass die Interessen an der baulichen Entwicklung höher zu gewichten sind als der Ortsbildschutz. Der Bundesrat hat diesen Entscheid akzeptiert.
Zwei weitere Vorstösse befeuern Debatte ums NHG weiter
Obwohl das geltende Recht die Interessenabwägung zulässt, wurden am 15. Dezember 2017 zwei weitere parlamentarische Initiativen eingereicht: Die Initiative Rutz mit dem Titel «Verdichtung ermöglichen. Widersprüche und Zielkonflikte aufgrund des ISOS ausschliessen» (17.525) und die Initiative Egloff mit dem Titel «Verdichtung ermöglichen. Beim ISOS Schwerpunkte setzen» (17.526). Die Initiative Rutz zielt auf eine Änderung des NHG, während die Initiative Egloff eine Änderung des Raumplanungsgesetzes (RPG) anpeilt.
Die nationalrätliche Kommission UREK-N hat der Initiative Rutz am 21. Januar 2019 Folge gegeben. Die politischen Diskussionen zum NHG gehen in eine weitere Runde.