Raum für Wohnen im Alter – auch in Zonen für öffentliche Bauten?

David Benjamin Fässler, Geschäftsführer FRED GmbH, Strategie- und Bauherrenberatung «Wohnen im Alter»
Jeudi, 29.09.2022
Unsere Gesellschaft wird älter. Um den wachsenden Bedarf an geeigneten Wohnungen zu decken, muss eine Gemeinde Raum zur Verfügung stellen. Zunehmend in den Fokus geraten dafür Zonen für öffentliche Bauten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob und in welcher Form dies zonenkonform ist. Dabei ist insbesondere zu klären, was unter «Wohnen im Alter» verstanden wird.
Wohnformen im Wandel: Was früher das Altersheim war, ist heute die als «Wohnen mit Service» bezeichnete Wohnanlage. Foto: Pixabay

Der Anteil der über 65jährigen Bevölkerung in der Schweiz soll laut Bundesamt für Statistik (BfS) von heute 18 auf 27 % im Jahr 2050 wachsen. Bis dahin wird sich die Zahl der über 80jährigen Einwohnerinnen und Einwohner schweizweit verdoppeln, in einigen Gemeinden sogar verdreifachen. Es fragt sich, wo die ältere Bevölkerung dereinst wohnen soll.

Zone für öffentliche Bauten als Wohnorte?

In vielen Gemeinden sind Wohnlandreserven aufgrund des Wachstums der letzten Jahre knapp geworden. Ins Visier geraten deshalb zunehmend die Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen (ZöBA), in denen Alterswohnen untergebracht werden sollen. Die ZöBa sind allerdings für die Bereitstellung von Schulhäusern, Verwaltungsgebäuden, Sportanlagen usw. reserviert, die allesamt «zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt werden» (siehe als Beispiel §60 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes Kanton Zürich, PBG). Dazu gehören traditionellerweise auch Alters- und Pflegeheime. Ob die Trägerschaft öffentlicher oder privater Natur ist, spielt grundsätzlich keine Rolle. Entscheidend ist dagegen, dass die Anlage im Grundsatz für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Wohnen gehört grundsätzlich nicht in eine ZöBa. Was gilt nun für Alterswohnen? Gemeinden und Investoren müssen diese Frage frühzeitig klären.

Wohnformen im Wandel

Alterswohnen ist heute sehr breit gefächert. Was früher das Bürgerheim oder Altersheim war, ist heute die als «Seniorenresidenz» oder «Wohnen mit Service» bezeichnete Wohnanlage. Zunehmend wird die Abgrenzung zwischen dem privaten Zuhause und dem Heim aufgelöst. Hybride Wohnformen schalten sich dazwischen. Oft ist nicht eindeutig, inwiefern ein geplantes Wohnangebot öffentliche Aufgaben wahrnimmt.

Zeitgemässe Wohnformen bieten alterstaugliche «Alterswohnungen» für selbständiges, privates Wohnen mit 2 ½ oder 3 ½ Zimmern an. Mieterinnen und Mieter können bei Bedarf Dienstleistungen à la carte beziehen. Private, aber teilweise organisierte Wohnformen laufen zum Beispiel unter dem Label «Generationenwohnen mit Pflegewohnen». So unterstützen freiwillige Genossenschaftsmitglieder Betagte im Alltag in ihren Mietwohnungen und in derselben Siedlung bieten spezialisierte Institutionen Pflege in den Pflegewohngruppen an. Aus medizinischer Sicht kann jedoch der Umzug in ein klassisches Pflegeheim trotzdem notwendig werden. Bei den beiden letzteren Wohnformen handelt es sich um institutionelles Wohnen, dem der Abschluss eines Pensionsvertrags mit dem Mieter zugrunde liegt. Betreiber müssen ausserdem höhere Anforderungen erfüllen als «normale» Vermieter.

Abgrenzung von privatem und institutionellem Wohnen

Diese Vielfalt erschwert bei Neubauprojekten die Einschätzung der Zonenkonformität. Hinweise zur Klärung liefern die kantonalen Baugesetze. So sieht zum Beispiel das PBG des Kantons Zürich den «Bau von Alterswohnungen» ausdrücklich vor. Im Umkehrschluss ist jedoch davon auszugehen, dass herkömmliches Wohnen, also selbständiges und privates Wohnen, selbst wenn es staatlich gefördert wird, grundsätzlich nicht öffentlichen Zwecken dient.

Anders sieht es aus, wenn Alterswohnungen in einem räumlichen und sachlichen Konnex mit Alters- oder Pflegeheimen stehen. Solche Alterswohnungen wären zonenkonform und erfüllten eine öffentliche Aufgabe, wenn ein Betriebskonzept vorhanden ist. Ein solches sieht zum Beispiel die Grundleistung durch Spitex vor Ort, Infrastruktur für Notruf, hauswirtschaftliche Dienstleistungen und dergleichen vor.

Nebst einem Betriebskonzept ist auch eine Betriebsbewilligung und die dazugehörende Aufnahme auf die kantonale Pflegeheimliste notwendig. Ob die Dienstleistungen in einem Altersheim im klassischen Sinn oder in einzelnen Wohnungen angeboten werden, dürfte für die Qualifizierung einer öffentlichen Aufgabe nicht relevant sein.

Voraussetzungen für ein öffentliches Interesse

Einige Kantone (z. B. AG, BE, LU, SG, ZG) stecken den Rahmen der Erfordernisse weiter. Indizien, die für die Annahme einer öffentlichen Aufgabe sprechen, sind unter anderem folgende:

  • Statuierung Mindestalter (zum Beispiel ü65) und Erfordernis des Wohnsitzes in der Gemeinde, ansonsten keine Einschränkungen;
  • schriftliche Fixierung (z. B. Anmerkung im Grundbuch, Festlegung im Gestaltungsplan);
  • Wohnungen sind hindernisfrei und so ausgestattet, dass Pflege bis Pflegestufe 5 (von 12) möglich ist;
  • die Alterswohnungen werden vermietet, nicht verkauft;
  • Bewohnende können Dienstleistungen eines naheliegenden Altersheims in Anspruch nehmen;
  • es liegt ein Betriebskonzept vor, u. a. für Spitex-Dienstleistungen.

Nicht erforderlich dagegen ist der detaillierte Nachweis eines Bedarfs für Alterswohnungen. Dies würde die Anforderungen überspannen, so das Aargauer Verwaltungsgericht in einem kürzlich ergangenen Urteil zu einem geplanten Projekt in Bergdietikon AG. Auch der Einwand, der zu bebauende Ortsteil sei für den Standort eines Alterszentrums zu abgelegen und daher nicht geeignet, fand beim Gericht kein Gehör.

Vertiefte fachliche Abklärungen sind unumgänglich. Der rechtzeitige Einbezug zuständiger kantonaler Stellen schafft zusätzliche Planungssicherheit, auch wenn in der Regel die Gemeinde als Baubewilligungsorgan das letzte Wort hat. Gerade im Hinblick auf die demografischen Veränderungen gilt es, die ZöBA mit zukunftsgerichteten Wohnkonzepten neu und zonenkonform zu beleben.

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