Anpassung an Hitze: Problem erkannt, Umsetzung schwach

Johanna Fujara, Architektin, und Marco Pütz, WSL
Mercredi, 10.05.2023
Eine Befragung Schweizer Städte zeigt, dass inzwischen viele die Notwendigkeit erkannt haben, sich an die zunehmende Hitze anzupassen. Entsprechende Konzepte und Massnahmen fehlen jedoch oft. Warum? Antworten darauf und Vorschläge, wie es besser werden könnte.
Vertikalbegrünung zur Hitzeminderung: An der Fassade des Zürcher Stadtspitals Triemli wachsen auf 16 Stockwerken Pflanzen in die Höhe, um dereinst 2300 Quadratmeter zu begrünen. (Foto: Monika Zumbrunn, EspaceSuisse)

Mit dem Klimawandel werden Hitzeperioden häufiger, länger und heisser. In Städten ist die Hitzebelastung besonders gross, da versiegelte Flächen Sonnenstrahlung absorbieren und ihre Umgebung aufheizen. Dieser Hitzeinseleffekt ist umso stärker, je dichter eine Stadt bebaut ist und je versiegelter ihre Flächen sind. Baumaterialien speichern mehr Wärme als Grünflächen. Hitze in der Stadt führt zu grossen gesundheitlichen Belastungen und Risiken. Vor allem Ältere, Kranke und Kinder sind davon betroffen. Junge, gesunde Menschen sind zwar weniger gefährdet. Jedoch mindert Hitze ihre Leistungsfähigkeit deutlich und kann somit volkswirtschaftliche Schäden bewirken.

Neben der Gesundheit der Bevölkerung leiden vor allem städtische Aussenräume unter der Hitze. Stadtentwicklung und Stadtplanung sind gefordert, Städte so umzubauen, dass sie weniger Wärme speichern, Abwärme verringern, Luftzirkulation und Verdunstung begünstigen, öffentliche Räume beschatten sowie Flächen entsiegeln und bepflanzen.

Tiefes Problembewusstsein

Um den Umgang Schweizer Städte mit zunehmender Hitze zu untersuchen, hat Johanna Fujara im Frühjahr 2022 in ihrer Abschlussarbeit beim MAS Real Estate des CUREM an der Universität Zürich die Stadtplanungs- und Entwicklungsabteilungen aller Schweizer Städte mit mindestens 10'000 Einwohnerinnen und Einwohnern befragt. 77 Städte haben an der Befragung teilgenommen (davon 58 aus der Deutschschweiz, 16 aus der Westschweiz und 3 aus dem Tessin). Mit Fokus auf Arealentwicklungsprojekten ging es darum zu verstehen, wie Städte bezüglich Hitzeanpassung aktiv werden und welche Herausforderungen dabei bestehen.

Generell ist zu erkennen, dass den Städten die verschiedenen negativen Auswirkungen der Hitze sowie die Notwendigkeit einer hitzeangepassten Planung bekannt sind. Jedoch spiegelt sich das Problembewusstsein noch nicht überall in der Praxis wider. So haben erst 13 der befragten Städte (17 %) eine Strategie zum Umgang mit Hitze entwickelt. In 27 Städten (35 %) beschäftigt sich noch keine Fachstelle mit dem Thema Hitze. In der Hälfte der Städte spielte Hitzeanpassung in der Arealentwicklung noch keine Rolle. Einen wesentlichen Grund für das geringe Engagement bezüglich Hitzeanpassung sehen die befragten Städte in fehlenden verbindlichen Vorgaben. Oft bestünden zudem Widerstände bei privaten Projektbeteiligten. Eigentümerinnen und Projektentwickler scheuen die vermeintlich höheren Kosten und die eingeschränkte Planungsfreiheit, welche mit einer hitzeangepassten Planung einhergehen können. Hinzu kämen laut Befragung fehlende Ressourcen und Entscheidungsbefugnisse in städtischen Behörden, mangelnde Fachkenntnisse sowie Zielkonflikte mit anderen Planungsbereichen.

Die Städte, die bereits Erfahrung mit Hitzeanpassung gemacht haben, gaben an, Vorgaben meist über qualitätssichernde Verfahren und Sondernutzungsplanungen in Projekte einzubringen. Beide Instrumente ermöglichen es, von bestehenden, unzureichenden Regelungen abzuweichen: In Wettbewerbsprogrammen können Vorgaben zu einer klima- und hitzeangepassten Planung gemacht werden; die Instrumente der Sondernutzungsplanung, zum Beispiel Baulinien- und Gestaltungspläne können genaue Bestimmungen zur Lage, Abmessung und Nutzung von Gebäuden und ihrer Umgebungsgestaltung enthalten. Diese Vorgaben können hitzerelevant formuliert werden, indem zum Beispiel die Anzahl und der Kronendurchmesser der Bäume auf dem Grundstück, die zulässige Unterbauung, der Versiegelungsgrad, die Gestaltung der Dachebenen oder die Berücksichtigung von Lüftungsschneisen entsprechend geregelt werden.

Handlungsbedarf angezeigt

Solange es keine gesetzliche Verpflichtung zu einer hitzeangepassten Stadtplanung gibt, basieren solche Massnahmen auf Freiwilligkeit und müssen bei jedem Projekt neu ausgehandelt werden. Gemäss vieler Städte würden Massnahmen oft nur dann umgesetzt, wenn sie mit bestehenden Zielen in Einklang stünden und keinen Mehraufwand verursachten. Mit Hilfe von Vorgaben zur Klimaanpassung in den kantonalen und kommunalen Bau- und Planungsgesetzen könnten Städte Anstrengungen zur Hitzeanpassung einfacher von Eigentümerinnen und Eigentümer einfordern. Weiter haben sich kommunale Strategien zur Anpassung an Hitze als wirksam erwiesen. Bereits der Strategieentwicklungsprozess schafft einen Mehrwert: Relevante Akteure werden vernetzt und Kompetenzen aufgebaut. Städte mit einer eigenen Strategie zum Umgang mit Hitze äusserten in der Befragung weniger Unterstützungsbedarf als Städte ohne eine solche Strategie.

Bessere Vernetzung und politischer Wille gefragt

Zukünftig muss es besser gelingen, alle relevanten Akteure in den Gemeinden zusammen zu bringen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist der politische Wille und der klare Auftrag an die Verwaltung, aktiv zu werden. Für die räumliche Planung heisst das, dass sie auch mit bisher wenig involvierten Akteuren, zum Beispiel dem Gesundheitswesen, zusammenarbeiten muss. Eine vorsorgende, hitzeangepasste Stadtplanung sollte Gebiete identifizieren, die besonders betroffen sind. Das ist nicht nur eine Frage von Klimaszenarien, Lokalklima und Bebauung, sondern auch von Bevölkerungsstruktur und der Erreichbarkeit von Erholungsräumen.

Besonders relevant für die Anpassung an Hitze sind sogenannte «grüne» und «blaue» Infrastrukturen. Dazu gehören zum einen Parks, Friedhöfe, Hausgärten, Sportanlagen, begrünte Dächer und Fassaden und zum anderen natürliche und gebaute Wasserflächen, Retentionsflächen und Entwässerungssysteme. Vorteilhaft ist in vielen Gemeinden, dass bereits viele solcher Infrastrukturen vorhanden sind. Es gilt, diese weiterzuentwickeln, zu vernetzen und ihre Erreichbarkeit – speziell für vulnerable Gruppen – zu verbessern.

Schliesslich bleibt eine Herausforderung, dass die Themen Hitze und Klimawandel oft mit anderen Nutzungsansprüchen konkurrieren. So stellt sich für die Nutzungsplanung der Gemeinden die komplexe Aufgabe, Ziele der Innenentwicklung und Verdichtung mit denen der Anpassung an die Hitze in Einklang zu bringen. Man spricht hier auch von einer «doppelten Innenentwicklung», welche die bauliche Verdichtung im Bestand vorantreibt und gleichzeitig die verbliebenen Grünflächen erhält und weiterentwickelt. Beides konzeptionell zusammen gedacht und praktiziert steigert die Qualität der Nutzungsplanung. Es liegt an den Kantonen und Gemeinden, sich dieser Aufgabe zu stellen, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen und Ressourcen bereitzustellen, um die Vorgaben wirkungsvoll umsetzen zu können.

Qualité et développement vers l'intérieur...

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