Wer trägt die Verantwortung für die Sicherheit von privaten Bauwerken?

Ein Grundeigentümer will am Rande seines Grundstücks eine über drei Meter hohe Stützmauer bauen. Der Gemeinderat hat Bedenken wegen der Unfallgefahr und will, dass auf dieser Mauer ein Schutzzaun angebracht wird. Er plant deshalb, die Baubewilligung mit einer entsprechenden Bedingung zu versehen. Der Eigentümer hat jedoch angekündigt, dass er sich dagegen wehre und bei einem Unfall jegliche Haftung ablehnen werde. Seiner Ansicht nach ist es Sache der Nachbarn, deren Parzelle über der seinen liegt, allenfalls eine Absperrung anzubringen. Wer hat recht?

In der Rubrik «Sie fragen – wir antworten» beantworten Juristinnen und Juristen von EspaceSuisse Fragen aus der Schweizer Rechtspraxis in der Raumplanung. Die Antwort auf obige Frage lautet:

Nach dem Obligationenrecht des Bundes haftet der Eigentümer eines Gebäudes oder eines anderen Werkes für Schäden, die durch Baumängel oder mangelhaften Unterhalt verursacht werden. Er ist verpflichtet, Massnahmen zu treffen, um einen vorhersehbaren Unfall zu vermeiden. Wird von einem Grundeigentümer eine drei Meter hohe Stützmauer errichtet, so bedeutet dies, dass in der Regel Vorkehrungen zu treffen sind, um Personen vor einem Absturz zu schützen. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) hat zu diesem Thema eine Broschüre publiziert. Sie enthält gewisse technische Standards aus der SIA-Norm 358 über Geländer und Brüstungen.

Grundsätzlich kann der Eigentümer somit haftbar gemacht werden, wenn eine Person von der Stützmauer fällt, die er errichtet hat. Er kann sich seiner Verantwortung nicht mit dem Argument entziehen, sein Nachbar hätte eine Absturzsicherung anbringen müssen. Das Bundesgericht hat früher einmal in einem ähnlichen Fall entschieden, dass der Eigentümer einer Stützmauer, auf der zur Absicherung ein Drahtzaun angebracht war, für den Absturz einer Person haftete, weil der oberste Draht des Zauns locker war (BGE 96 II 34). Aus dieser Rechtsprechung lässt sich schliessen, dass ein Eigentümer erst recht bei einer fehlenden Absturzsicherung haftbar ist.

Allerdings kann die Gemeinde bei der Sicherung von Bauten die Verantwortung nicht einfach auf den Werkeigentümer abschieben. Sie ist verpflichtet, auch gegen dessen Willen spezielle Sicherheitsvorrichtungen durchzusetzen. Im vorliegenden Fall hält das kantonale Recht die Gemeinde zudem an, dafür zu sorgen, dass Bauten und Anlagen die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährden und dass sie nach den anerkannten Regeln der Baukunde erstellt werden. Die Verletzung dieser Pflicht kann für die Gemeinden Folgen haben. So ist es schon vorgekommen, dass nicht nur der Eigentümer eines Werkes, sondern auch die Gemeinde für einen Unfall haftbar gemacht wurde, weil sie ihre Aufsichtspflicht in baupolizeilichen Belangen vernachlässigt hatte.

Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn die Gemeinde für Bauvorhaben, von denen klare Unfallgefahren ausgehen, angemessene Sicherheitsvorkehrungen verlangt. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat in diesem Sinne auch schon festgehalten, dass eine Gemeinde von einem Eigentümer verlangen darf, seinen künstlichen Teich aus Sicherheitsgründen mit einem Zaun einzufassen.

Quelle: Inforaum 1/2018

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