Die Raumplanung muss das Klima schützen

Rémy Rieder, Siedlungsberatung, EspaceSuisse
Montag, 02.08.2021
Kann die Raumplanung helfen, die Klimakrise zu lösen? Die Antwort ist eindeutig: Ja. Der Klimawandel wirkt sich auf jeden Raum aus, zu jeder Zeit. Diese Raumwirksamkeit bringt es mit sich, dass die Raumplanung sogar stärker noch als andere Disziplinen in der Verantwortung steht, den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel voranzutreiben.

Vor der Omnipräsenz von COVID-19 dominierte vor allem ein Thema den medialen Diskurs: der Klimawandel. Im Gegensatz zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Welt, die während der Pandemie zeitweise stillstand, ging dieser quasi ungebremst weiter. Spätestens seit der Ablehnung des CO2-Gesetzes von Mitte Juni dieses Jahres ist der Klimawandel zurück in den Schlagzeilen. Und die historischen Hitzewellen und Rekordniederschläge dieses Sommers zeigen, dass uns das Wasser bis zum Hals steht und wir mit dem Feuer spielen.

Genau in diese Zeit fiel der Jahreskongress von EspaceSuisse, an dem gegen 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Thema Raumplanung und Klimaschutz diskutierten. Dass Raumplanerinnen und Raumplaner etwas bewegen können, ja müssen, stellte Thomas Stocker, Professor für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern klar: «Die Raumplanung ist ein Grundpfeiler des Klimaschutzes – nicht nur national, sondern weltweit». Ihr grosser Vorteil: Sie kann nicht nur Kulturlandschaften schützen, sondern greift auch in den Städten. Die Diskussionen zeigten aber auch: Noch ist die Raumplanung zu wenig griffig, noch leistet sie nicht, was sie könnte – und müsste.

Alle Ebenen sind gefordert

Gefordert sind alle Planungsebenen, Bund, Kantone und Gemeinden. Ansatzpunkte sind vorhanden, überall und zur Genüge. Seit 2016 geben das Pariser Abkommen (Netto-Null bis 2050) und die Agenda 2030 (17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung) die Richtung vor. Letztere weist dem Bund eine Vorbildfunktion zu. Agiere er klimafreundlich, täten es ihm die Behörden von Genf bis Arbon gleich. Diese Funktion muss der Bund wahrnehmen. Ein Fächer an Strategien und Programmen, an Instrumenten wie Sachplänen und Konzepten hilft ihm dabei. Damit weist er Kantone und Gemeinden an, setzt Anreize und fördert.

Raumplanung ist aber vor allem Sache der Kantone. Sie stehen in der Pflicht, griffige raumplanerische Massnahmen für den Klimaschutz zu definieren, zugunsten der Klimaanpassung. Dabei sollten sie übergeordnete Vorgaben berücksichtigen und diese in ihre Planungsinstrumenten einfliessen lassen. Der Kanton Wallis, besonders vom Klimawandel betroffen, macht das in seinem Richtplan schon heute. Er verankert den Klimawandel als Querschnittsthema, das alle Departemente, Abteilungen betrifft. Am kantonalen Richtplan führt kein Weg vorbei. Er ist das wichtigste und zentrale Steuerungsinstrument zur Umsetzung von Klimamassnahmen auf Stufe Kanton. Und auch er muss unterstützen und fördern– und den Klimawandel nicht weiter verschlafen.

Letztlich stehen aber auch die Gemeinden in der Pflicht. Die allermeisten klimarelevanten Massnahmen müssen im Kleinen umgesetzt werden. Daher brauchen lokale Initiativen auch keine aktualisierten kantonalen Richtpläne abzuwarten. Gemeinden können direkt loslegen, als musterhafte Bauherrinnen oder beispielsweise indem sie einige der 60 Massnahmen umsetzen, die in der «Starthilfe kommunaler Klimaschutz» der Ostschweizer Fachhochschule (OST) beschrieben sind.

Mehr Grün und Blau statt Grau im Bau: Die Raumplanung kann einen wichtigen Beitrag leisten an den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel – im Grossen wie im Kleinen. Hier: ein Verwaltungsgebäude am Zählerweg in Zug. Foto: Lukas Bühlmann

Vorhandenes aufnehmen, ordnen, zusammenfügen

Ob nun auf Bundes-, Kantons- oder Gemeindeebene: Es ist die Aufgabe der Raumplanung, die vorhandenen Strategien, Konzepte und Pläne in die formellen Planungsinstrumente aufzunehmen. Die Themen sind sinnvoll zu ordnen (siehe Richtplan VS), Massnahmen sind griffig und adressatengerecht zu formulieren. Nur so können neue Formen der Mobilität gefördert, Treibhausgase reduziert, die Biodiversität erhalten, Ökosysteme regeneriert sowie der Boden und das Klima geschützt werden. Noch wird die Funktion der vorhandenen Instrumente zu wenig in diesem Sinne wahrgenommen. Dabei könnten sie stärker lenkend eingreifen.

Was sie noch mehr leisten könnten: Ein guter gemeinsamer Anfang wäre ein revidiertes Raumkonzept Schweiz mit Massnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung, das neu für alle Behörden verbindlich wäre. Die logische Fortschreibung des Konzepts fände im kantonalen Richtplan statt, entweder freiwillig oder indem der Bund Massnahmen für den Umgang mit dem Klimawandel als neuer Mindestinhalt des Richtplans im Raumplanungsgesetz festschreibt. Die Gemeinden können über die Nutzungsplanung viel bewegen. In ihren allgemeinverbindlichen Bau- und Nutzungsordnungen können sie nachhaltige Standards einfordern, möglichst geschlossene Materialkreisläufe verlangen oder, wo sinnvoll, zum Anschluss an ein Fernwärmenetz verpflichten. Sie können zur Transformation alter Gebäudesubstanz auffordern, Grünflächenziffern festschreiben, Baumquotienten einführen oder Alternativen zu Steingärten vorschreiben.

Denkt jede Ebene den Klimaschutz praktisch mit, trägt sie bei zu klima- und umweltverträglichen Siedlungen bei. Schliesslich sind kleine Schritte besser als keine Schritte. Klimaschutz ist vielfältig und liegt in der Verantwortung der Raumplanung. Packen wir es an!

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