Eine erfolgsversprechende Strategie für die (ländlichen) Gemeinden

Alain Beuret, Architekt und Raumplaner, Siedlungsberatung EspaceSuisse
Donnerstag, 08.12.2022
Strategie ist nicht nur Städten und Agglomerationen vorbehalten. Das Steuerungsinstrument ist auch relevant für ländliche Gemeinden. Dies machte am 4. November 2022 eine Tagung in Bern deutlich.
Foto: EspaceSuisse

Es ist kein Zufall, dass EspaceSuisse gemeinsam mit der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) und dem Schweizerischen Gemeindeverband (SGV) eine Tagung zum Thema «Räumliche Entwicklungsstrategien für Gemeinden im ländlichen Raum» organisiert hat. Denn der Verband für Raumplanung will aufzeigen, dass strategische Visionen, Leitbilder oder (inter-)kommunale Richtpläne nicht nur für Städte und Agglomerationsgemeinden, sondern auch für kleine Landgemeinden sehr hilfreich sind.

Gute Beispiele

Der dynamische Gemeindepräsident von Lichtensteig SG, Mathias Müller, erläuterte, wie seine Gemeinde auch weiterhin ein regionales Zentrum der Region Toggenburg bleibt, obwohl in den letzten Jahrzehnten viele Fabriken und Geschäfte geschlossen haben. Trotz des Bevölkerungsrückgangs behauptet die Gemeinde ihren Status als Stadt und hat mit ihrer Strategie «Mini.Stadt» Massnahmen ergriffen, um die städtische Lebensqualität zu erhalten. So unterstützt sie unter anderem Hausbesitzer, die ihre Gebäude renovieren wollen, und fördert die Kultur durch das «Rathaus für Kultur». Die Bewohnerinnen und Bewohner des Städtchens waren am gesamten Prozess aktiv beteiligt und haben sich diese strategische Vision weitgehend zu eigen gemacht.

Andere Gemeinden entwickeln Strategien auf interkommunaler oder regionaler Ebene. In einem kompakten Dokument mit fünf Leitsätzen legen Oberägeri und Unterägeri ZG in einer gemeinsamen strategischen Vision die Grundlagen fest für ihre künftige Entwicklung rund um den See, den sich beide Gemeinden teilen. Sie bewahren aber gleichzeitig ihre Gemeindeautonomie bei der Revision ihrer Nutzungsplanung.

Die Gemeinden des Luganese TI und des Prättigau GR haben ihrerseits eine regionale Vision für ihre zukünftige Entwicklung erarbeitet. Der beträchtliche Grössenunterschied zwischen dem regionalen Zentrum – Lugano beziehungsweise Davos – und den kleinen Gemeinden ist eine Herausforderung, doch der Strategieprozess hat es den Gemeinden ermöglicht, ihre Anliegen einzubringen.

Partizipation ist der Schlüssel zum Erfolg

In den Workshops am Nachmittag betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie wichtig es sei, die Bevölkerung während des gesamten Prozesses miteinzubeziehen, damit die Strategie auch wirklich von allen geteilt und getragen wird. Dies ist auch eine gute Gelegenheit, um in der Gemeinde gemeinsam die Anpassung an den Klimawandel anzugehen oder das Bewusstsein für die lokale Baukultur zu schärfen. Für Gemeindeexekutiven, die aus Milizpolitikerinnen und -politikern bestehen, ist diese Aufgabe nicht immer einfach zu bewältigen. Hilfe von aussen ist darum oft willkommen und ermöglicht es der Exekutive, bei der Partizipation in den Hintergrund zu treten, um wirklich zuhören zu können.

Der Gemeindepräsident von La Sarraz VD, Daniel Develey, erklärte, wie sich seine Gemeinde beim Strategieprozess begleiten liess. Ein Dorfgespräch mit EspaceSuisse initiierte den Prozess, der später mit anderen externen Organisationen vertieft wurde. Schliesslich wurde er im Rahmen einer grossen öffentlichen Veranstaltung unter freiem Himmel einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Diese verschiedenen Formen und Ebenen der Partizipation ermöglichten es der Kleinstadt, die lokale Bevölkerung stärker einzubinden und zu vermeiden, dass nur die engagiertesten Bürgerinnen und Bürger mitmachen.

Handlungs- und Unterstützungsbedarf

Auch Geduld ist nötig. Die Entwicklung einer Strategie erfordert in der Tat, dass man sich die dafür notwendige Zeit nimmt. Durch das Festlegen von Prioritäten und die Umsetzung konkreter Massnahmen oder kurzfristiger Leuchtturmprojekte, allenfalls bereits während der Ausarbeitung der Strategie – in La Sarraz VD war es ein Skatepark –, können die Erwartungen der Bevölkerung, die Konkretes sehen will, erfüllt werden.

Ein Strategieprozess ist langwierig und komplex. Kleine Landgemeinden sind auf Unterstützung angewiesen. Dies wurde an der Tagung mehrfach erwähnt. Doch der Aufwand lohnt sich, denn eine gute strategische Vision ermöglicht es einer Gemeinde, effizienter zu arbeiten – wenn sie ihre «Murmeln» am richtigen Ort und zur richtigen Zeit platziert und dabei die gesetzten Ziele im Auge behält, zum Beispiel durch eine aktive Bodenpolitik bei strategischen Liegenschaften, eine Unterstützung bei der Sanierung von Gebäuden oder mit einer Hilfe für die Erhaltung von Läden. Auf diese Weise kann sich die Gemeinde von einer Beobachterrolle lösen und wird zu einer echten Akteurin der Gemeindeentwicklung.

Das Dorfgespräch von EspaceSuisse

Für kleine Gemeinden, die eine Diskussion über ihre zukünftige Entwicklung anstossen möchten, insbesondere angesichts der Herausforderungen an die Innenentwicklung, hat EspaceSuisse das Instrument des Dorfgesprächs entwickelt.

Auch interessant

«Räumliches Leitbild für die Gemeinde: steuern statt sich treiben lassen», «Im Fokus-Artikel» von Heidi Haag, ehem. Leiterin Siedlungberatung von EspaceSuisse (25.8.2022)

Mehr zum Dorfgespräch

Jetzt für den 14.6. anmelden:

Kongress 10 Jahre RPG 1