Nachhaltige Energieversorgung trifft auf Partizipation

Anke Kaschlik, Institut für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe, und Evelyn Lobsiger-Kägi, Institut für nachhaltige Entwicklung, ZHAW
Donnerstag, 28.09.2023
Die ZHAW – die Zürcher Schule für Angewandte Wissenschaften – hat mit einer ländlichen Gemeinde beispielhaft die Entwicklung einer Strategie für die nachhaltige Energieversorgung angestossen. Entscheidend für den Erfolg: das sektorübergreifende Zusammenarbeiten, eindeutige Verbindlichkeiten und eine klare Strategie.
Insbesondere kleinere Städte und Gemeinden sollten ihr «window of opportunity» schnell nutzen, um die Energiewende anzugehen, sonst wird das Thema durch das Alltagsgeschäft schnell wieder verdrängt. (Foto: Gaby Stein, Pixabay)

Eine nachhaltige Energieversorgung ist eine komplexe Aufgabe, bei der es nicht nur um Energie-, Mobilitäts- und Gebäude-Infrastrukturen und -Dienstleistungen geht, sondern auch um die Energienutzung durch verschiedene Stakeholder – von Bevölkerung über Unternehmen bis zur Gemeindeverwaltung. Die nachhaltige Energieversorgung auf Gemeindeebene kann daher nur im Zusammenspiel mit diesen Akteurinnen und Akteuren gelingen. Insbesondere im Bereich Suffizienz (der Verringerung des Konsums) sind alle gefragt, denn es geht darum, alternative Infrastrukturen und Organisationsformen zu entwickeln, welche ein gutes Leben mit geringem Ressourcenverbrauch unterstützen und attraktiv machen. Dafür braucht es nicht nur Wissen zum Einsatz von neuen Technologien und gesetzliche Regelungen, sondern auch Ideen und Mitarbeit aus Bevölkerung und Wirtschaft.

Ein interdisziplinäres Team der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften konnte mit Vertreterinnen und Vertretern einer Gemeinde einen Strategie-Prozess zur nachhaltigen Energieversorgung anstossen und erste Schritte begleiten. Vorgespräche zeigten, dass schon innerhalb der Verwaltung die Verantwortlichkeit für eine nachhaltige Energieversorgung nicht durchgängig gesehen wird. Daher wurden in zwei Workshops mit Teilnehmenden aus der Verwaltung (Soziale Dienste, Volksschule, Technische Betriebe, Einwohnerdienste) und mit politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern, eine gemeinsame Vision erarbeitet und die Verantwortung für das Thema Energie innerhalb der einzelnen Verwaltungsbereiche gestärkt. Darauf aufbauend liessen sich erste Ideen insbesondere für Information und Beteiligung der Bevölkerung entwickeln.

Was haben wir gelernt?

Insgesamt besteht grosses Interesse am Thema Energieversorgung und Klimaschutz sowohl innerhalb der Verwaltung als auch bei unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren ausserhalb. Aktuell ist dieses Interesse jedoch an Einzelpersonen gebunden.

Es bestehen Unsicherheiten, wie weit die staatliche Zuständigkeit respektiv das Handeln der Gemeinde gehen kann und soll. Dies zeigt sich im Themenfeld Energieversorgung und Klimawandel spätestens, wenn es um individuelle Verhaltensweisen oder unternehmerische Freiheiten geht. Die Gemeinde sieht sich als informierende, fördernde und finanzierende, und kaum als regulierende Instanz. So soll zum Beispiel eine Gruppe aus Schlüsselpersonen aus lokaler Politik, Unternehmen und Bevölkerung innovative Ideen und Lösungen für die Energiewende in der Gemeinde entwickeln. Die Gemeinde sieht sich dabei als Teilnehmende, begrüsst das verwaltungsexterne Engagement, erachtet jedoch eine Institutionalisierung als nicht erforderlich. Ungeklärt bleibt damit die Frage der Verbindlichkeit der erarbeiteten Lösungen.

Der Einbezug der Bevölkerung wird als ein wesentlicher Aspekt benannt. Es ist jedoch schwierig, die Bevölkerung zu erreichen. Hinzu kommt, dass Expertinnen und Entscheidungsträger mit grossem Wissen zum Klimawandel und der Dringlichkeit der Situation dazu tendieren, die in ihren Augen «richtigen» Lösungen durchsetzen zu wollen. Verbote oder Anreize sind jedoch für eine dauerhafte Veränderungen von Handlungsweisen nur unterstützend geeignet. Grundlegend braucht es die Überzeugung, dass Massnahmen sinnvoll und mit dem eigenen Leben vereinbar sind. Diese Überzeugung setzt einen Prozess voraus, der Entscheidungsspielräume für die Beteiligten bereithält. Als einen Schritt in diese Richtung sind in der Gemeinde einzelne Aktivitäten geplant, um die breite Bevölkerung für das Thema Energie/Klimaschutz zu sensibilisieren, nicht jedoch eine umfassende Strategie.

Insbesondere in kleineren Städten und Gemeinden haben sogenannte «windows of opportunity» im Rahmen der Stadt- und Gemeindeentwicklung eine sehr grosse Bedeutung. Deshalb müssen Gelegenheiten, die sich durch bestimmte Konstellationen bietend, schnell genutzt werden. Andernfalls wird das Thema durch das Alltagsgeschäft schnell wieder verdrängt. In diesem Projekt zeigte sich dies beispielsweise beim Zustandekommen: Gute Voraussetzungen zur Behandlung des Themas Energiewende waren durch einen Gemeindepräsidenten der Grünen, einige Aktive mit innovativen Projekten, einen innovativen Energieversorger und das Energiestadt-Label schon länger gegeben. Für die tatsächliche Beschäftigung mit dem Thema brauchte es aber zusätzlich die steigenden Energiepreise und das Angebot der Hochschule zur Unterstützung.

Was heisst das für kleinere Städte und Gemeinden?

Diverse Akteurinnen und Akteure setzen sich in ihrem eigenen Bereich oft mit grossem Engagement für Nachhaltigkeit ein, jedoch fehlt es oftmals an Zusammenarbeit mit und das Wissen über weitere Aktivitäten innerhalb und ausserhalb der Gemeinde(-verwaltung). Um der staatlichen Verantwortung gerecht zu werden und die lokale Entwicklung weniger abhängig von Zufällen zu machen, benötigt es eine strukturiertere Zusammenarbeit der verschiedenen Verwaltungsstellen, so dass Synergien erkennbar und nutzbar werden.

Klar formulierte Ziele und eine Strategie für die Gemeindeentwicklung stellen einen grossen Vorteil für die lokale Entwicklung dar, denn sie bieten beispielsweise Planungssicherheit für lokale Unternehmen oder Ansatzpunkte für den Einbezug der Bevölkerung. Für die Gemeinde wäre nun der nächste Schritt, die entwickelte Vision politisch zu diskutieren. Danach können die entsprechenden Strategien und Massnahmen gemeinsam mit weiteren Akteurinnen und Akteure daran ausgerichtet werden. Dazu gehört auch, eine partizipative Haltung zu entwickeln, die den Wert von Zusammenarbeit und Partizipation als wichtige Grundlage der nachhaltigen, klimaneutralen Gemeinde anerkennt und nutzt.

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