Vorlage zu RPG 2 in Schieflage geraten

Damian Jerjen, Direktor EspaceSuisse, und Samuel Kissling, Leiter Recht EspaceSuisse
Dienstag, 28.06.2022
Der Ständerat hat die Gesetzesvorlage zum Bauen ausserhalb der Bauzone in der Sommersession beraten. Das Ergebnis ist widersprüchlich. Einerseits will der Ständerat die Zahl der Gebäude ausserhalb der Bauzonen auf dem heutigen Niveau stabilisieren, andererseits lässt er erhebliche Mehrnutzungen und zusätzliche Ausnahmen zu, was wiederum den Trennungsgrundsatz ernsthaft gefährdet. Nun liegt es am Nationalrat, die Vorlage wieder auf Kurs zu bringen.
Dies ist eine Replik auf folgenden Hauptartikel:
Foto: Philipp Wüthrich, unsplash

Beraten wurde ein Vorschlag der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (UREK-S) (18.077), der auch als indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative gelten soll. Im Gegensatz zur ursprünglichen Vernehmlassungsvorlage (siehe unsere Stellungnahme) hat EspaceSuisse den Vorschlag der UREK-S zuhanden des Ständerates mit gewissen Vorbehalten unterstützt.

Trennungsgrundsatz muss eingehalten werden

Der Vorschlag der UREK-S ging in die richtige Richtung, fand in der Kommission aber nur knappe Mehrheiten. EspaceSuisse schätzte die Vorlage deshalb verhalten optimistisch ein (siehe «Im Fokus»-Artikel vom 2.6.2022). Der verfassungsmässige Grundsatz, das Baugebiet vom Nichtbaugebiet zu trennen, wurde mit diversen Minderheitsanträgen gefährdet. Der Ständerat hat nun viele dieser – aus raumplanerischer Sicht – problematischen Anträge angenommen. Die Vorlage ist daher nicht akzeptierbar.

Das Stabilisierungsziel als zentrales Element

Die Zahl der Gebäude im Nichtbaugebiet soll laut Ständerat stabilisiert, neue Bauten müssen kompensiert werden. Das will auch die Landschaftsinitiative. Es ist zu begrüssen, dass dieses Stabilisierungsziel auch für versiegelte Flächen Eingang ins Gesetz gefunden hat. Gleichzeitig ist der Katalog mit Ausnahmen umfangreich: Sowohl landwirtschaftlich versiegelte Flächen als auch versiegelte Flächen für touristische Zwecke sind ausgenommen, ebenso alle versiegelten Flächen in Gebieten, die nicht ganzjährig bewirtschaftet sind (Sömmerungsgebiete). Hinzu kommen Flächen für Energie- sowie für kantonale und nationale Verkehrsanlagen. Der Ständerat torpediert mit diesem grosszügigen Ausnahmekatalog seine Absicht, auch die versiegelten Flächen zu stabilisieren. Effektiv zu kompensierende Flächen wird es so kaum mehr geben.

EspaceSuisse begrüsst hingegen ausdrücklich, dass das Stabilisierungsziel über die kantonalen Richtpläne und anhand eines Gesamtkonzeptes, welches die Kantone vorlegen müssen, erreicht werden soll. Eine fünfjährige Übergangsfrist, verbunden mit allfälligen Sanktionen, trägt weiter dazu bei.

Um das Stabilisierungsziel zu erreichen, soll zudem der Abbruch nicht mehr benötigter Bauten und Anlagen finanziell unterstützt werden. Dabei bleiben jedoch noch verschiedene Fragen offen. So ist die vorgeschlagene Ausgestaltung der sogenannten Abbruchprämie zu breit gefasst und nicht kohärent: Denn der Abbruch von landwirtschaftlich oder touristisch genutzten Gebäuden soll auch dann mit dieser Prämie finanziert werden, wenn ein Ersatzneubau erstellt wird. Die Finanzierung soll in erster Linie über den Mehrwertausgleich erfolgen. Dies bedingt aber, dass der dafür zur Verfügung stehende Topf genügend gefüllt ist. Gerade dies dürfte aber in den wenigsten Kantonen der Fall sein. Vor diesem Hintergrund unverständlich und widersprüchlich ist zudem ein angenommener – und auf den ersten Blick themenfremder – Einzelantrag, welcher die Kantone nur noch zur Umsetzung der Minimalregelung beim Mehrwertausgleich anhält (Art. 5 Abs. 1bis RPG: 20 % bei Einzonungen) (ein ausführlicher Artikel in unserer Web-Rubrik «Im Fokus» wird demnächst publiziert).

Planung und Kompensation im Berggebiet

Das Stabilisierungsziel ist das eine. Daneben soll die Vorlage es den Kantonen auch erlauben, besser auf ihre Eigenheiten eingehen zu können. Mit dem sogenannten Planungs- und Kompensationsansatz sollten die Kantone gemäss UREK-S nur in spezifischen Einzelfällen von den abschliessenden bundesrechtlichen Bestimmungen zum Bauen ausserhalb der Bauzone abweichen können – und dies auch einzig unter der Bedingung, dass die Gesamtsituation im betreffenden Gebiet verbessert wird. Die UREK-S hatte in ihrer Vorlage deshalb vorgeschlagen, dass diese Sonderbestimmung einzig für Berggebiete anwendbar ist. Diese Einschränkung ist zu begrüssen, wurde aber vom Ständerat wieder gestrichen.

Eine flächendeckende Anwendung dieses Ansatzes ist aus raumplanerischer Sicht abzulehnen. Vor diesem Hintergrund ist auch ein weiterer angenommener Einzelantrag zu erwähnen: Er ermöglicht es den Kantonen, besondere Gebiete zu bestimmen, in welchen sie die Umnutzung nicht mehr benötigter landwirtschaftlicher Bauten zur Wohnnutzung erlauben können. Dies würde bedeutende Mehrnutzungen ausserhalb der Bauzonen ermöglichen, was dem verfassungsrechtlichen Trennungsgrundsatz widerspricht. Es ist davon auszugehen, dass diese Bestimmung zu grösseren, intensiveren oder störenderen Nutzungen führen wird und damit die gleichzeitig geforderte Verbesserung der Gesamtsituation im entsprechenden Gebiet verunmöglicht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bereits das geltende Recht verschiedene Lösungsansätze kennt, um aus baukultureller oder landschaftlicher Sicht erhaltenswerte Bauten durch Umnutzung zu erhalten (z. B. Umnutzung schützenswerter oder landschaftsprägender Bauten).

EspaceSuisse plädiert dafür, dass die Spezialzonen nach Artikel 8c beziehungsweise der Planungs- und Kompensationsansatz nur in Ausnahmefällen und nur für «Vorhaben von öffentlichem Interesse» zur Anwendung kommen und zu keinen grösseren und keinen störenderen Nutzungen führen.

Der Nationalrat ist nun gefordert

Im Ergebnis bleibt es aber dabei: Die Vorlage ist widersprüchlich und aus raumplanerischer Sicht nicht akzeptierbar. Der Ständerat nimmt zwar das Stabilisierungsziel auf, lässt jedoch unzählige Ausnahmen und Mehrnutzungen zu. Unter dem Strich bedeutet dies eine Verschlechterung im Vergleich zur aktuellen Situation, und es schwächt den Trennungsgrundsatz. Viele weitere Anliegen, die in der Vernehmlassung – unter anderem von EspaceSuisse – eingebracht wurden, bleiben unberücksichtigt (siehe Kasten unten). Die zweite Revisionsetappe ist damit in Schieflage geraten. Es liegt nun am Nationalrat, die Vorlage eingehend und sorgfältig zu beraten und den Trennungsgrundsatz wieder zu stärken.

Stellungnahme von EspaceSuisse

EspaceSuisse hat sich zur ursprünglichen Vernehmlassungsvorlage der UREK-S von 2021 kritisch geäussert. Die Ausführungen dürften auch für die Beratungen im Nationalrat dienlich sein. Die Stellungnahme findet sich auf unserer Website:
espacesuisse.ch > Aktuell > Stellungnahmen > Revision RPG 2 Entwurf 2021

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