Die Vorschriften zum Bauen ausserhalb der Bauzone haben sich über die Jahre zu einem unübersichtlichen Regelwerk entwickelt. Die zahlreichen Ausnahmebestimmungen haben über die Jahre den verfassungsmässigen Grundsatz, das Baugebiet vom Nichtbaugebiet zu trennen, immer mehr aufgeweicht. Der Ständerat und der Nationalrat stehen nun vor der Herausforderung und einmaligen Chance, bei der zweiten Revisionsetappe des Raumplanungsgesetzes (Revision RPG 2) diesen Grundsatz wieder zu stärken.
Nur knappe Mehrheiten
EspaceSuisse begrüsst im Grundsatz, dass die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (UREK-S) in ihrem Vorschlag (18.077) auch die Anliegen der Landschaftsinitiative aufgenommen hat. Die Revision RPG 2 steuert damit in die richtige Richtung. Es ist jedoch zu beachten, dass Vieles nur knappe Mehrheiten gefunden hat. Zudem gefährden verschiedene Minderheitsanträge den Trennungsgrundsatz ernsthaft. Unverständlich und klar abzulehnen ist auch der Vorschlag der UREK-S, den Entwurf nicht als Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative zu präsentieren.
Die Umsetzung der Stabilisierung ist zentral
Der neue Vorschlag der UREK-S soll gewährleisten, dass die Zahl der Gebäude im Nichtbaugebiet stabilisiert wird. Um dieses Stabilisierungsziel zu erreichen, werden die kantonalen Richtpläne gestärkt.
EspaceSuisse begrüsst die Umsetzung über die kantonalen Richtpläne und anhand eines Gesamtkonzeptes, welches die Kantone vorlegen müssen. Mit einer fünfjährigen Übergangsfrist, verbunden mit allfälligen Sanktionen, soll die Erreichung des Stabilisierungsziels richtigerweise vorangetrieben werden. Ein Verzicht auf die entsprechenden Richtplanvorgaben – wie von der Minderheit verlangt – würde dies praktisch verunmöglichen. Entschieden abzulehnen ist zudem der Vorschlag der Minderheit, neben der landwirtschaftlich bedingten Bodenversiegelung auch die touristischen Aktivitäten vom Stabilisierungsziel auszunehmen.
Bei der Finanzierung bleiben verschiedene Fragen noch unbeantwortet. So ist die Ausgestaltung der vorgeschlagenen sogenannten Abbruchprämie ungenügend: Denn damit soll beispielsweise auch der Abbruch von landwirtschaftlich oder touristisch genutzten Gebäuden finanziert werden, wenn ein Ersatzneubau erstellt wird. Zudem soll die Finanzierung über den Mehrwertausgleich erfolgen. Dies bedingt aber, dass der dafür zur Verfügung stehende Topf genügend gross ist, was in den wenigsten Kantonen der Fall sein dürfte.
Planung und Kompensation im Berggebiet
Auch der sogenannte Planungs- und Kompensationsansatz wurde von der UREK-S leicht verbessert und ist nur noch für Berggebiete anwendbar. Diese Einschränkung ist zu begrüssen, auch wenn offenbleibt, wie das Berggebiet definiert wird. Bei der Schaffung der entsprechenden «Spezialzonen im Bergebiet mit zu kompensierenden Nutzungen» ist mit Blick auf den Trennungsgrundsatz äusserst vorsichtig vorzugehen. In diesem Sinne müssen die entsprechenden Nutzungen kumulativ «zu einer Verbesserung der Gesamtsituation von Siedlungsstruktur, Baukultur, Landschaft, Kulturland und Biodiversität führen».
Zudem sollten die Spezialzonen nach Artikel 8c «im Ergebnis zu keinen grösseren und zu keinen störenderen Nutzungen führen». Dies hatte auch der Bundesrat ursprünglich vorgeschlagen. Nur so kann der Trennungsgrundsatz gestärkt und das Stabilisierungsziel erreicht werden. Diese Anforderung wurde jedoch von der UREK-S unnötigerweise gestrichen. EspaceSuisse plädiert zusätzlich dafür, eine Beschränkung der entsprechenden Spezialzonen auf «Vorhaben von öffentlichem Interesse» zu prüfen.
Vorrang der bodenbewirtschaftenden Landwirtschaft
Das Anliegen, dass in Landwirtschaftszonen landwirtschaftliche Nutzungen Vorrang gegenüber zonenwidrigen baulichen Nutzungen haben sollen, ist im Grundsatz zu befürworten. Es gilt indes zu beachten, dass die Landwirtschaftszone multifunktional ist und beispielsweise auch ihre Funktionen für die Förderung der Biodiversität, den ökologischen Ausgleich und die Naherholung erfüllen können muss.
In diesem Sinne ist der Begriff Landwirtschaft weiterhin eng zu fassen. Abzulehnen ist deshalb der Antrag der Minderheit, der den Kreis der zonenkonformen Bauten und Anlagen erweitern will. Zudem soll «der Agrotourismus […] als landwirtschaftliche Tätigkeit bewilligt» werden. Beides gefährdet den Trennungsgrundsatz und dürfte von der bodenbewirtschaftenden Landwirtschaft kritisch gesehen werden. Viele Fragen sind offen, so beispielsweise auch, wie Agrotourismus zu definieren ist.
Abschliessende Würdigung
EspaceSuisse hat sich gegenüber der Vernehmlassungsvorlage der UREK-S kritisch geäussert und die Vorlage abgelehnt. Nun wurden daran gewisse Verbesserungen vorgenommen. Diese sind ausdrücklich zu begrüssen. Viele Anliegen, die EspaceSuisse in der Vernehmlassung eingebracht hat, blieben jedoch unberücksichtigt (zur Stellungnahme siehe Kasten unten). Es liegt nun am Parlament, die Vorlage eingehend und sorgfältig zu beraten.
Um die Diskussionen über das Bauen ausserhalb der Bauzone beziehungsweise über RPG 2 weiterführen zu können, unterstützt EspaceSuisse den von der Mehrheit der UREK-S verabschiedeten Vorschlag – mit gewissen Vorbehalten. EspaceSuisse ist der Ansicht, dass der Vorschlag trotz der erwähnten Mängel als Basis für die Beratungen in den Räten taugt. Würden jedoch Mehrnutzungen vorgesehen oder Lockerungen im Sinne diverser Minderheitsanträge angenommen, wäre der verfassungsmässige Grundsatz der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet klar verletzt.
Zu den Beratungen im Ständerat lesen Sie bitte den «Im Fokus»-Artikel vom 28.6.2022.
EspaceSuisse hat sich im Detail zur Vernehmlassungsvorlage der UREK-S von 2021 geäussert. Die Stellungnahme findet sich auf unserer Website:
espacesuisse.ch > Aktuell > Stellungnahmen > Revision RPG 2 Entwurf 2021