In Kürze
- In einem Forschungsbericht legen ETH-Forschende dar, wie Schweizer Städte Innenverdichtung ökologisch und sozialverträglich gestalten sowie bezahlbaren Wohnraum schaffen können.
- Die Akzeptanz der Wohnverdichtung steigt, wenn öffentliche oder gemeinnützige Organisationen sie realisieren und wenn sie auf günstige Wohnungen mit Grünraum setzen.
- Diese Präferenzen zeigen sich nicht nur in den Schweizer Metropolen Zürich und Genf, sondern in allen 162 Schweizer Städten.
Die Wohnraumsituation in Schweizer Städten wird derzeit in Politik und Medien intensiv diskutiert. Auch für Raum- und Stadtplaner:innen ist sie ein Thema – schliesslich sind sie die Expert:innen für die kompakte Siedlungsentwicklung nach innen, wie sie das Schweizer Raumplanungsgesetz (RPG) seit zehn Jahren vorgibt. Zu ihren Kernaufgaben gehört es, die unterschiedlichen Nutzungsansprüche an den städtischen Raum wie zum Beispiel wohnen, arbeiten, Verkehr, Freizeit oder Erholung so aufeinander abzustimmen, dass sie sich möglichst gegenseitig ergänzen und Synergien schaffen.
Empfehlungen für eine akzeptanzorientierte Verdichtung
Der Forschungsbericht «Öffentliche Akzeptanz und Politik für eine grüne und bezahlbare Innenverdichtung» fasst die aktuellsten Erkenntnisse zur Innenentwicklung zusammen. Er richtet sich an Raumplaner:innen in den Stadtverwaltungen sowie an Politiker:innen, die die Weichen für die Stadtentwicklung stellen. Der Bericht enthält Analysen der laufenden Wohndebatten, Ergebnisse zur Verdichtungsakzeptanz und Politikempfehlungen.
Die wesentlichen Ergebnisse sind:
- Die Akzeptanz von Verdichtungsprojekten steigt in der Stadtbevölkerung, wenn öffentliche oder gemeinnützige Organisationen sie realisieren und wenn sie ökologische und sozialverträgliche Ziele verfolgen.
- Eine Verdichtungsstrategie, die auf «weniger Regulierung» im Wohnungsbau im Sinne des Abbaus von administrativen und rechtlichen Hürden setzt, wird zwar nicht abgelehnt, findet in den Städten aber deutlich weniger Zustimmung als eine «grüne und bezahlbare» Verdichtungsstrategie, die auf günstige Wohnungen und eine Erhöhung des Grünflächenanteils setzt.
- Klimaschutz und klimaangepasste Stadtentwicklung haben in der Stadtbevölkerung eine hohe Akzeptanz.
- Diese Präferenzen zeigen sich nicht nur in den grössten Schweizer Städten wie Zürich und Genf, sondern in allen 162 (statistischen) Städten.
Aktive Bodenpolitik zugunsten einer öko-sozialen Verdichtung
Die Forschenden empfehlen den Stadtregierungen generell, dass sie ihre Stadtplanungsteams so weit verstärken, dass sie in der Stadtentwicklung strategisch handeln und eine aktive Bodenpolitik betreiben können, um ökologische und soziale Entwicklungsziele zu erreichen.
Aktiv zu werden bedeutet gemäss den aktuellen Studienergebnissen aber nicht ausschliesslich, neue Instrumente oder Regulierungen einzuführen (z. B. ein planungsrechtliches Vorkaufsrecht). Sondern Städte können auch mit den bereits existierenden Instrumenten (z. B. Zonenplanung, Mehrwertausgleich) eine soziale und grüne Verdichtung umsetzen – beispielsweise über eine griffige Ausgestaltung der kommunalen Bauordnung zugunsten einer öko-sozialen Verdichtung oder über den Kauf von Land. Entscheidend ist auch eine aktive Kommunikationsstrategie mit privaten Grundeigentümer:innen, mittels derer die Städte involvierte Akteure für die Relevanz einer öko-sozialen Verdichtung und deren Auswirkungen auf die Stadtentwicklung sensibilisieren. So können Baublockaden, Bauverzögerungen und lokale Widerstandsbewegungen frühzeitig verhindert und das übergeordnete Ziel der Verdichtung effektiv und langfristig umgesetzt werden.
Ihre Empfehlungen konkretisieren die Forschenden für die Finanzmetropolen Zürich und Genf, mittelgrosse Städte wie Lausanne, Basel oder St. Gallen, dynamische Agglomerationsstädte wie Opfikon, Spreitenbach oder Carouge und für regionale Zentren wie Chur, in denen der Wohnverdichtungsdruck derzeit noch geringer ist, in den kommenden Jahren jedoch zunehmen dürfte.
Die Studie enthält detaillierte Politikempfehlungen für eine soziale und ökologische Verdichtung je nach Gemeindetyp. Die vorgeschlagenen Strategien unterscheiden sich je nach finanziellen und personellen Mitteln der Stadt sowie vorhandenen unbebauten Landnutzungsreserven zur effektiven Bewältigung des Verdichtungsdrucks.
Autorenteam und Forschungsprojekte
Wicki, Michael, Oberassistent ETH Zürich1
Wehr, Malte, Doktorand ETH Zürich1
Debrunner, Gabriela, Oberassistentin ETH Zürich1
Kaufmann, David, Assistenzprofessor ETH Zürich1
1ETH Zürich, Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung IRL, Gruppe für Raumentwicklung und Stadtpolitik SPUR
An der ETH Zürich befasst sich David Kaufmann, Professor für Raumentwicklung und Stadtpolitik, mit der Innenverdichtung von Städten. Seine Forschungsgruppe (SPUR) untersucht unter anderem, wie Angebot und Preise im Wohnungsmarkt mit politischen Entscheidungen für Gebietsentwicklungen sowie mit Infrastruktur- und Bauprojekten zusammenhängen, und wie sich Neubauten gesellschaftlich aufs Wohnen in der Stadt auswirken.
Im Projekt «Densifying Switzerland» (2021–2025) des Schweizer Nationalfonds werten die ETH-Forschenden alle raumplanungsbezogenen Volksabstimmungen von 2002 bis 2020 in allen 162 statistischen Städten der Schweiz aus.
Literaturhinweise
Wicki, M, Wehr, M, Debrunner, G, Kaufmann, D (2024). Öffentliche Akzeptanz und Politik für eine grüne und bezahlbare Innenverdichtung. Bericht zur Akzeptanz der Verdichtung in der Schweiz. ETH Zürich.
Debrunner, G. (2024): The Business of Densification. Governing Land for Social Sustainability in Housing. Palgrave Macmillan.
Lutz, E, Wicki, M, Kaufmann, D (2024). Creating inequality in access to public transit? Densification, gentrification, and displacement, ETH Libary.
Debrunner, G, Hengstermann, AH. (2023). Vier Thesen zur effektiven Umsetzung der Innenentwicklung in der Schweiz. DisP-The Planning Review, 59(1), 86-97.
Kaufmann D, Lutz E, Kauer F, Wehr M, Wicki M (2023). Erkenntnisse zum aktuellen Wohnungsnotstand: Bautätigkeit, Verdrängung und Akzeptanz. Bericht ETH Zürich.
Lutz E, Kauer F, Kaufmann D (2023). Mehr Wohnraum für alle? Bericht ETH Zürich.